Studio Oskud

Was passiert nach unserem Tod mit unserem digitalen Ich?

Digitale Geister – Eine Ausstellung über den Umgang mit dem Tod im digitalen Zeitalter

Auftraggeber:in
Hochschule Düsseldorf, Master Thesis
Leistungen
Recherche, Forschung
Ausstellungskonzept
Art Direction
Kommunikationsmedien im Raum
Partner:innen
Thorben Winkler, 3D-Visuals
Caro Weller, Schnitt Persona-Film

Im Jahr 2070 wird es voraussichtlich mehr tote als lebendige Nutzer:innen in den sozialen Netzwerken geben. Wer über diesen Satz stolpert, zählt zur Mehrheit in unserer westlichen Gesellschaft, die das Thema Tod ausblendet. Die moderne Medizin hat es möglich gemacht, dass der Tod für die meisten von uns in weite Ferne gerückt ist. Wer sich trotzdem mit ihm auseinandersetzt, darf sich über ein Angebot der aufstrebenden Digital-Afterlife-Industrie freuen: durch die zu Lebzeiten generierten Daten sollen Individuen in Form eines virtuellen Avatars wieder auferstehen und mit den Hinterbliebenen kommunizieren. Diese digitale Unsterblichkeit wirft zwei große Fragen auf: Was macht unsere Persönlichkeit aus? Und kann ein großer Datensatz diese überhaupt replizieren?

Projekt
Um ein Bewusstsein für das Thema „Digitaler Nachlass” zu schaffen, wurde ein multimediales Ausstellungskonzept entwickelt: Digitale Geister. Im Zentrum des Konzepts steht die spielerische und nahbare Auseinandersetzung mit den Themen Tod und Nachlass. Gleichzeitig erhalten die Besucher:innen einen Einblick in die Digital-Afterlife-Industrie und ihre Möglichkeiten. Die Ausstellung fungiert als Einladung, sich neue Fragen zu stellen: Wie verändert sich die Trauer um den verlorenen Menschen? Inwiefern wird der Tod greifbarer? Wie echt ist ein Klon? Und was will ich später für mich selbst?

Das zentrale Merkmal des Ausstellungskonzepts ist der Verzicht auf reale Exponate. Die Inhalte werden ausschließlich digital mittels QR-Codes, Smartphones, Augmented Reality und audiovisuellen Medien zugänglich. Eigens konzipierte Ausstellungsmöbel geben der digitalen Ausstellung einen physischen Rahmen. Als fiktiver Ausstellungsort dient das NRW-Forum in Düsseldorf.

Recherche und Forschung
Ein Auszug: Analyse von traditionellen und neuen Beisetzungsmöglichkeiten. Untersuchung von unterschiedlichen Jenseitsvorstellungen in verschiedenen Weltreligionen. Beschäftigung mit der Trauerpraxis aus soziologischer Perspektive und dem digitalen Nachlass. Erforschung des Industriezweiges Digital-Afterlife, sowie Benchmarking verschiedener Anbieter und Services.

Ausstellungskonzept
Konzeption einer fiktiven Ausstellung: Planung eines Besucher:innen-Parcours mit Fokus auf der Entwicklung von physischen Ausstellungsmöbeln mit digitaler Verknüpfung. Zahlreiche digitale Exponate werden auf die Ausstellungsmöbel mithilfe eines QR-Codes übertragen. Formate: Interviews, Filme, Audioaufnahmen und Texte. Die Formgebung der Ausstellung orientiert sich an der digitalen Welt und der Welt der Bestattung. Vitrinen bestehen aus quadratischen Blöcken in Anlehnung an Pixeln [ein Pixel ist ein Bildpunkt – die kleinste Einheit eines digitalen Bildes]. Rechtecke dienen als gestalterische Grundbasis und nehmen Bezug auf das Format für Särge und Urnen.

Augmented-Reality-Ansicht der Bestattungs-Station: Mittels QR-Code in den jeweiligen Vitrinen wird ein digitales Bild erzeugt, auf dem Besucher die Menge der menschlichen Überreste in der Bestattungsform – hier die Terramation – sehen können.

Art Direktion
Aufbrechen der klassischen und primären Farbgebung von Schwarz für Trauer in Deutschland: Entwicklung einer warmen Farbpalette. Ein Lavendel-Ton als Primärfarbe für das Key Visual und für die großflächige Wandbespielung. Ein Orange-Ton als Sekundärfarbe, um Schriften- und Objektbeschreibungen wiederzugeben und eine angenehme Lichtstimmung zu erzeugen. Für das Key Visual der Ausstellung steht das Quadrat in Anlehnung an ein Pixel im Mittelpunkt. Als digitales Signal eignet sich das Pixel als Aufhänger für das Thema „Digitale Unsterblichkeit” und dient als grundlegendes Raster für das Ausstellungskonzept.

Kommunikationsmedien im Raum
Kreation verschiedener digitaler Erlebnisstationen. Beispiel: Memory Dome. Das kugelförmig konzipierte Gebilde fungiert als Herzstück der Ausstellung und soll gleichzeitig als Erinnerungsort genutzt werden. Die Erinnerungen, die eine Person für Angehörige hinterlassen möchte, werden in einem Objekt mit integriertem Chip zusammengefasst. Auf diesem Chip sind Informationen zur Person, Bilder und Audioaufnahmen zu finden, die durch eine externe Firma visuell und inhaltlich aufbereitet werden. Die Besucher:innen des Memory Dome finden die personifizierten Datenträger in der regalförmigen Außenmembran der Konstruktion. Mit einem Datenträger können sich die Besucher:innen in den Memory Dome begeben. Sobald das Objekt eine Kontaktfläche auf dem Tisch berührt, werden die Inhalte des Chips ausgelesen und auf die gesamte innere Fläche des Memory Dome projiziert.

Exemplarischer Inhalt eines QR-Codes auf dem Grabstein: Entwurf eines Kurzfilms zu einer Person durch eine potenzielle Firma, welche sich explizit mit der Erstellung von Lebensfilmen befasst. Diese kann vor dem eigenen Tod selbst beauftragt werden, aus bestehendem Foto- und Videomaterial einen Film über die Inhalte des eigenen Lebens, die man preisgeben möchte, zusammenzustellen.

Exemplarische Augmented-Reality-­Ansicht der Exponaten mit alternativer Urnengestaltung im Rahmen der Urnen-Installation. 

Dazugelernt

Letzte Ruhe Obstwiese:Terramation – The act of gently transforming human remains into life-giving soil.” Eine neue Bestattungsform schließt den Kreislauf des Lebens natürlich und umweltbewusst, indem Leichen kompostiert und zu fruchtbarer Erde aufbereitet werden. Diese Form der Bestattung ist im US-Bundesstaat Washington bereits zugelassen. Die Bestattungsfirma „Return Home” reduziert damit die Nutzung der bisher üblichen Rohstoffe wie Holz, Beton und Stahl. Das Verfahren spiegelt den natürlichen Verwesungsprozess im Schnelldurchlauf wider. Die Leichen werden unter anderem mit 300 Kilogramm Stroh, Holzschnitzel und Sprossen in einen Behälter gelegt. Mithilfe eines Belüftungssystems werden Mikroben, Wasser und Wärme reguliert in den Behälter eingelassen. Nach 30 Tagen ist der Kompostierungsprozess abgeschlossen. Körperfremde Objekte, wie zum Beispiel Gelenkprothesen, werden aussortiert. Den Hinterbliebenen wird anschließend 200 Kilogramm Erde für ihre eigene Obstwiese oder ihr Blumenbeet zurückgegeben. Optional kann die Erde für einen Forstwald gespendet werden.

Quellen: https://www.sueddeutsche.de/panorama/usa-bestattung-beerdigung-kompost-terramation-1.5308866, returnhome.com

Das, was keiner sieht

Im roten Kleid mit 17 auf dem Abendball: Zentrale Figur für die Ausarbeitung einer beispielhaften Biografie zur Nutzung im Ausstellungskonzept war der potenzielle Nachlass unserer Großmutter. Ihre Fotoalben, Gedanken und Erinnerungen bilden die Grundlage für den Memory Dome und das digitale Archiv der Ausstellung.

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