Ausstellungen aus dem 20. Jahrhundert neu beleuchtet: Was machen 100 Jahre möglich?

Die Installation „Szenographische Experimente“ übersetzt berühmte Installationen aus der Vergangenheit in unsere heutige Zeit.

Betreuung
edi – Exhibition Design Institute, Hochschule Düsseldorf, BMBF-Forschungsprojekt „Objekt und Inszenierung – Experimentelle Szenografie”, Prof. Stefan Korschildgen, Wissenschaftliche Beratung: Dipl.-Designer Paul Wenert
Leistungen
Konzept 
Installation 
Grafikdesign 
Art-Direktion der Dokumentation
Projektteam
Magdalena Frohn, Judith Gauß, Olena Komarova, Charlotte Müller, Oleg Romanov, Laura Schraufstetter, Michelle Weber
Ausgezeichnet
Anerkennung von „aed neuland”, Kategorie „Architecture + Engineering“
Publiziert
„New Exhibition Design 03: Neue Ausstellungsgestaltung 03”, Herausgeber: Uwe J. Reinhardt und Philipp Teufel

1925 im Pariser Grand Palais auf der „Exposition Internationale des Arts Décoratifs et Industriels Modernes“. Der Utopist und Universalkünstler Frederick J. Kiesler lässt die Besucher:innen in einem abgedunkelten Raum in eine schwebende Konstruktion aus großen Flächen und Stäben eintauchen: Raumstadt – Das Modell einer frei im Raum schwebenden Stadt. „Uns vom Erdboden loslösen […]. Keine Mauern, keine Fundamente. Ein Bausystem von Spannungen im freien Raume“, schrieb Kiesler dazu in seinem Manifest. Seine Vision: Eine Stadt der Zukunft, die den Naturraum unberührt lässt. Was passiert, wenn wir diese Installation mit den Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts weiterdenken? Was hat sich in 100 Jahren verändert?

Projekt
2019: Eine Reihe berühmter Ausstellungsgestalter:innen und ihre Arbeiten sind Grundlage für ein Experiment. Untersucht wird die Wechselwirkung zwischen Objekt und Inszenierung. Dazu wurden die Arbeiten der Künstler:innen in drei raumgreifende Installationen übertragen – unter Einbindung aktueller Ausdrucksmittel und zeitgenössischer Technologien.

In Kieslers „Raumstadt“ passt sich der Mensch dem Werk an. Für „Szenographische Experimente“ sind wir im Projektteam einen Schritt weitergegangen: In der Installation passt sich der Raum dem Menschen an. Das Konstrukt beinhaltet bewegbare Elemente und fordert die Besucher:innen auf, interaktiv den eigenen Raum zu gestalten. Dabei entscheiden sie selbst, welche Informationen sie abrufen möchten.

Für die Installation wurden gegenwärtige Materialien wie die Spionspiegelfolie verwendet und ausgeschöpft, um bewusst den Raum zu erweitern und transluzent zu arbeiten. Eine Fläche war demnach weder automatisch blickdicht noch automatisch transparent. Dadurch ergaben sich aus verschiedenen Perspektiven diverse Überlagerungen für die Besucher:innen und forderten sie auf, neue Blickwinkel einzunehmen und mit den Elementen zu interagieren.

Konzept
Inhaltliche und methodische Recherche, kuratorische Auswahl, Autor:innentätigkeit, gestalterisch-räumliche Konzeptfindung, planerische Ausarbeitung, praktische Ausführung und Kommunikation.

Installation
Konstruktionsplanung, Materialauswahl, Verarbeitung der Materialien. Grundaufbau: 21 Stahlrahmen für das Außengerüst, 17 Innenrahmen, aufgezogene Acrylglasplatten als Fläche für Bild und Text. Die Überlappungen der Rahmen ergeben einen Parcours, der über vier verschiedene Eingänge zu betreten ist. Die Besucher:innen erleben den „Bastelcharakter“ von Kiesler und werden angeleitet, sich unterschiedlich zu bewegen.

Grafikdesign
Idee: Grafische Bespielung der Flächen als Kontrast zur statischen Stahl- und Glaskonstruktion. Grafische Formen als Ableitung der Umrisse von Frederick J. Kieslers „Endless House“. Entstandene organische Formen wurden mit Farben und Bildmaterial gefüllt: Die Überlagerungen der Farbflächen bedienen das Konzept der Vielschichtigkeit, das sich bereits in der Rahmenkonstruktion in Form der Überlappungen wiederfindet.

Art-Direktion der Dokumentation
Überblick: Eine zum Projekt zugehörige Dokumentation beinhaltet neben der Kiesler-Installation die von Kolleg:innen parallel entwickelten Projekte zu den Bauhaus-Gestalter:innen Herbert Bayer und Lilly Reich. Hier wurde jeweils prototypisch das Schaffen beider untersucht und in szenografische Installationen mit neuen perspektivischen Ansätzen übersetzt. Die Gestaltung der Dokumentation ist sowohl farblich als auch typografisch minimalistisch gehalten, um den Experimenten und Modellen genügend Raum zu geben.

Dazugelernt

Correalismus: Eine Wortneuschöpfung von Kiesler in den 30ern aus den Begriffen Co-Realität („co-reality”) und Korrelation („correlation”). Gemeint ist die Wechselbeziehung dreier Einflusssphären – der natürlichen, menschlichen und technischen Umgebung – die Kiesler auch als aufeinander wirkende Kräfte auffasst. Die genaue Beobachtung menschlicher Verhaltensweisen, Bewegungsabläufe und physiologischer Bedingungen soll dazu führen, die Gestaltung von Einrichtungs- und Gebrauchsgegenständen und damit die Lebensverhältnisse der Menschen grundlegend zu verbessern. 1939 veröffentlichte Kiesler seine Überlegungen im bahnbrechenden Artikel „On Correalism and Biotechnique”.

Das, was keiner sieht

Säubern, fetten, schweißen: Sämtliche verbaute Metallteile aus Schwarzstahl mussten mehrere Male gesäubert und entfettet werden, bevor sie weiterverarbeitet werden konnten. Dazu gab es unsere erste kleine Schulung im Schweißen.