Worin bist du gescheitert?
Konzept und Bau einer partizipativen Installation
Betreuung
Hochschule Düsseldorf, Bachelor Thesis
Leistungen
Recherche und Benchmark
Installationskonzept
Kommunikationsmedien im Raum
Art Direction
Niederlage, Fehlschlag, Versagen, Misslingen, Fiasko, Debakel, Fehler machen. Das Scheitern hat viele Synonyme. Und mit dieser Vielfalt geht eine Unstimmigkeit einher: Was bedeutet der Begriff „Scheitern” eigentlich? Und ab wann sind wir wirklich gescheitert?
Niederlagen kennen wir alle. Sie treffen und verändern uns. Im besten Fall ziehen wir positive Schlüsse aus ihnen. Im schlimmsten Fall stecken wir sie im wahrsten Sinne des Wortes schlecht weg. Über das Scheitern reden folglich wenige. Es ist eben kompliziert. Die, die es tun – und ihre Zahl wächst – haben das Publikum (Ted Talk, Symposien) oder die Leserschaft (Ratgeber, Kolumnen, Magazine) auf ihrer Seite. Ihre Botschaft: Scheitern hat einen Nutzen. Ohne Scheitern wären sie nicht der (meistens sehr erfolgreiche Mensch), der sie heute sind. Es ist ein weiterer Effizienzgedanke unserer Leistungsgesellschaft. Auch aus unseren Fehlern schlagen wir Profit. Aber wäre es nicht gesünder, wenn wir noch einmal einen Schritt zurückgehen? Und dabei das Scheitern in der ganzen Gesellschaft sichtbarer machen?
Projekt
Mit „Nummer Zwei” wurde eine partizipative Installation konzipiert und realisiert, welche die Besucher:innen für den Begriff des Scheiterns sensibilisiert und sie dazu ermutigt, ihr eigenes Scheitern mit der Öffentlichkeit zu teilen. Mithilfe farbiger Blätter, die für unterschiedliche Themenfelder wie beispielsweise Partnerschaft, Freunde oder Finanzen stehen, können die Besucher:innen ihr Scheitern kategorisieren. Rückzugsorte innerhalb der Installation bieten den Besucher:innen einen Ort, um in Ruhe ihr Scheitern auf Papier zu bringen. Mit dem Prozess des Schreibens wird die persönliche Niederlage Wort für Wort aus dem Inneren der Person befreit. Dieser ganz persönliche Prozess erreicht seinen Höhepunkt und das Ende, durch den Vorgang des Schredderns. Mithilfe einer Schreddermaschine können die Besucher:innen ihre Scheiter-Geschichten vernichten – und die bunten Papierfetzen werden Teil einer sichtbaren Quote des Scheiterns innerhalb der Gesellschaft.
Recherche und Benchmark
Eine Auswahl der beleuchteten Themen: Scheitern in der Soziologie, im Unternehmertum, im Reality-TV, in der Gestaltung. Weitere Recherche zum Begriff „Gescheiterte Staaten“. Analyse verschiedener partizipativer Ausstellungen wie beispielsweise „The Happy Show“ von Stefan Sagmeister und Jessica Walsh. Erstellung und Umsetzung einer kompakten, globalen Befragung von anderen Kunst- und Kulturschaffenden, zum Thema, wie der Begriff „Scheitern“ in ihrer jeweiligen Gesellschaft betrachtet wird.
Kommunikationsmedium im Raum
Die Idee des bunten Papiers und des Schreibens: In der partizipativen Installation „Nummer Zwei“ können die Besucher:innen ihre persönlichen Niederlagen in verschiedene Kategorien – Beruf und Ausbildung, Freundschaft, Hobbys, Finanzen, Partnerschaft und Sonstiges – einteilen und ihre Erfahrungen dazu schriftlich schildern. Der Vorgang des Schreibens soll das Eingeständnis eines Misserfolgs erleichtern und sorgt zugleich für eine kathartische Wirkung. Als Rückzugsort bietet das Konstrukt einen Zwischenraum, der den Besucher oder die Besucherin zwar im Raum verbleiben lässt, doch gleichzeitig vor den Blicken Anderer schützt. Innerhalb dieser Abgrenzung finden die Teilnehmer:innen einen integrierten Aktenvernichter. Mit diesem können sie im Anschluss das Geschriebene vernichten. Ein Ritus als ein Akt der Begegnung mit sich selbst. Gleichzeitig wird das Scheitern für die Öffentlichkeit sichtbar: Das zerteilte Papier fällt infolge des Schreddervorgangs auf der öffentlichen Seite der Installation heraus und präsentiert anhand der farblichen Kategorisierungen eine Quote des Scheiterns.
Art-Direktion
Wärme und Geborgenheit: Der im Rahmen der Installation gewählte Farbmix bedient sich an freundlichen, frischen Tönen wie Orange, Blau und Grau. Unterstützt werden die Farben von einem warmen Holz, welches als Konstruktionsmaterial genutzt wurde. Zugehörig zur Installation wurden die Ergebnisse der Recherche in einem Magazin zusammengefasst, das in der Ausstellung zugänglich war. Die Gestaltung des Magazins greift den kathartischen Moment des Schredderns mit auf: Die verwendete Schriftart wurde nach dem Ausdruck händisch geschreddert, zusammengesetzt und eingescannt. So wurde ein einzigartiges und doch minimalistisches Erscheinungsbild angefertigt. Einzelne typografische Fragmente wurden als Gestaltungselemente durch die Broschüre hinweg genutzt.
Dazugelernt
Einmal jährlich bringt der US-amerikanische Think-Tank „Fund for peace“ einen sog. „fragile state index“ heraus. In diesem wird die Stabilität von Staaten anhand von Faktoren wie Zusammenhalt, Wirtschaft, Politik, Soziales bewertet. Dieser Bericht hieß bis vor wenigen Jahren noch „fragile state index“. Im Rahmen der Recherche zum Projekt kam ebenfalls die Frage auf, ob Staaten wirklich scheitern können, oder ob der Begriff des Scheiterns hier lediglich durch den westlich-kolonial geprägten Blickwinkel zum Vorschein gekommen ist.
Weitere Infos zum failed state index unter: https://fragilestatesindex.org/
Das, was keiner sieht